Gibt es in Deutschland eine Winterreifenpflicht?
Eine Winterreifenpflicht in dem Sinne, dass Fahrzeuge zum Beispiel für einen festen Zeitraum im Jahr mit Winterreifen auszurüsten sind, gibt es in Deutschland nicht. Weder ist der 1. November noch der meteorologische Winterstart am 1. Dezember oder gar der kalendarische am 21. Dezember ein vorgeschriebener Stichtag zum Aufziehen von Winterbereifung. Es gibt auch keine Mindesttemperatur, ab der Autofahrer verpflichtet wären, Winterreifen aufzuziehen.
Aber: Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte nur Autos mit Winterreifen unterwegs sein. Es gilt also eine Art situative Winterreifenpflicht. Die Bereifung eines Autos muss das ganze Jahr über an die Straßenverhältnisse angepasst sein, so verlangt es die StVO. Und da nun mal im Winter in Deutschland selbst im Flachland immer mit Schnee oder überfrierender Nässe zu rechnen ist, empfiehlt es sich, vorsorglich die passenden Reifen aufzuziehen, sobald die kalte Jahreszeit naht. So sind die Fahrer auf der sicheren Seite. Schließlich ist es mit den Autoreifen nicht so wie bei der persönlichen Garderobe, die man täglich danach auswählt, wie das Wetter gerade ist.
Ausgenommen von der situativen Winterreifenpflicht sind Nutzfahrzeuge aus der Land- und Fortwirtschaft sowie Motorräder oder Mofas.
O bis O oder 7-Grad-Regel: Wann sollte man Winterreifen aufziehen?
Als Faustformeln für den Wechsel auf Winterreifen gelten zum einen die 7-Grad-Regel und die O-bis-O-Regel. Die 7-Grad-Regel besagt, dass sich Autofahrer beim Reifenwechsel am Thermometer orientieren sollten. Fällt es unter die besagten 7 Grad Celsius, wird es Zeit für die wintertauglichen Reifen. Die Faustformel stammt von den Reifenherstellern. Denn unterhalb dieser Temperatur weisen Winter-Pneus aufgrund ihrer weicheren Gummimischung die besseren Haftungseigenschaften auf und ermöglichen ein sichereres Fahrverhalten im Winter. Sommerreifen verhärten hingegen bei kalten Temperaturen, was die Haftung auf der Straße verschlechtert.
Die O-bis-O-Regel ist eine Empfehlung der Kfz-Versicherer und nimmt den Kalender als Maßstab. Autofahrer sollten demnach von Oktober bis Ostern mit Winterreifen fahren. Denn in diesem Zeitraum kann es kurzfristig immer wieder zu winterlichen Straßenverhältnissen kommen, für die Sommerreifen komplett ungeeignet sind. Zudem sind Winterreifen auch bei nassem Laub im Herbst gegenüber Sommerrädern etwas im Vorteil. Mitunter liegt Ostern schon relativ früh im Jahr, dann können sich Autofahrer mit dem Reifenwechsel auch etwas Zeit lassen.
Aber: Weder die 7-Grad-Regel noch die O-bis-O-Regel sind verpflichtend, es sind jedoch sinnvolle Empfehlungen.
Wie müssen Winterreifen gekennzeichnet sein?
Seit 2018 gelten nur noch Reifen mit dem Alpine-Symbol als wintertauglich. Mit dem Alpine-Symbol, ein Piktogramm aus einem zackigen Berg und einer Schneeflocke, gehen laut Bundesverkehrsministerium erstmals verbindliche Qualitäts- und Leistungsstandards an die Reifen einher - ein entscheidender Unterschied zur M+S-Kennzeichnung.
Seit dem 1. Oktober 2024 sind nur noch Winterreifen mit dem Alpine-Symbol erlaubt. Bei winterlichen Straßenverhältnissen dürfen Reifen, die nur mit dem Symbol „M+S“ (Matsch + Schnee) gekennzeichnet sind, nicht mehr genutzt werden. Wer dann trotzdem noch mit den M+S-Winterreifen unterwegs ist, muss mit einem Bußgeld und einem Punkt in Flensburg rechnen.
Was kostet ein Verstoß gegen die situative Winterreifenpflicht?
Autofahrer, die trotz Schnee und Eis mit Sommerreifen unterwegs sind und damit gegen die situative Winterreifenpflicht verstoßen, müssen mit einem Bußgeld von 60 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen. Wer durch dieses Fehlverhalten andere Fahrzeuge behindert, wird mit 80 Euro Bußgeld und einem Punkt verwarnt. Bei einer Gefährdung sind es 100 Euro und ebenfalls ein Punkt. Nach einem Unfall erhöht sich das Bußgeld auf 120 Euro.
Gut zu wissen: Wer sein Auto mit Sommerreifen bei Schnee und Eis in der Garage stehen lässt, verstößt nicht gegen die Winterreifenpflicht (und begeht auch keine Ordnungswidrigkeit). Kritisch wird es erst, wenn das Auto auf öffentlichen Straßen fährt.
Ist man ohne Winterreifen im Winter noch versichert?
Die falsche Bereifung bei winterlichen Verhältnissen kann nicht nur ein hohes Bußgeld nach sich ziehen. Bei einem Verstoß gegen die situative Winterreifenpflicht drohen gleichzeitig finanzielle Konsequenzen, falls es zu einem Unfall kommt. Das sind die Folgen für die einzelnen Versicherungsprodukte:
Fahren ohne Winterreifen in der Kfz-Haftpflichtversicherung
Die Kfz-Haftpflichtversicherung übernimmt nach einem Unfall auf jeden Fall den Schaden des Unfallopfers, auch wenn der Unfallverursacher bei winterlichen Wetterverhältnissen mit Sommerreifen unterwegs war. Der Versicherungsschutz bleibt in diesem Fall bestehen.
Fahren ohne Winterreifen in der Kaskoversicherung
Wenn der Autofahrer vor Fahrtantritt oder während der Fahrt hätte erkennen müssen, dass Sommerreifen angesichts der winterlichen Bedingungen völlig ungeeignet sind und es aufgrund der unzureichenden Bereifung zu einem Unfall kommt, kann die Leistung der Voll- und Teilkaskoversicherung anteilig, in besonders schweren Fällen sogar vollständig, gekürzt werden. Das könnte die Kfz-Versicherung als grobe Fahrlässigkeit auslegen, was je nach Vertrag Leistungskürzungen zur Folge haben kann.
Achtung: Teilschuld auch als Unfallopfer
Sommerreifen auf eisglatter Fahrbahn können bei einem Unfall auch dann Konsequenzen haben, wenn man selbst den Crash gar nicht verursacht hat. Spielt die Bereifung für den Unfallhergang jedoch eine entscheidende Rolle, tragen Sie unter Umständen eine Mitschuld – mit Folgen für die Haftpflicht- und – falls vorhanden – auch für die Vollkaskoversicherung.
Ein Beispiel: Sie fahren mit Sommerreifen auf einer verschneiten Straße – mit erlaubten 30 km/h. An einer gleichrangigen Kreuzung nimmt ihnen ein Fahrer die Vorfahrt. Trotz augenblicklichen Bremsens touchieren Sie das andere Fahrzeug. Bei der Analyse des Unfallhergangs kommt die Polizei zum Schluss, dass ihr Bremsweg mit Winterreifen kürzer gewesen wäre und der Unfall so verhindert worden wäre. Entsprechend bekommen Sie eine Mithaftung angerechnet.
Bei einer Teilschuld von 30 Prozent muss ihre Haftpflichtversicherung 30 Prozent des gegnerischen Schadens ersetzen – damit droht ihnen eine Hochstufung. Gleichzeitig bleiben Sie auf einem Teil ihres Schadens sitzen – sofern Sie keine Vollkaskoversicherung haben. Falls doch, müssen Sie mit einer Höherstufung in der Kaskoversicherung rechnen.
Sicher durch die kalte Jahreszeit: Worauf man bei Winterreifen noch achten sollte
Die Fahrsicherheit hängt nicht nur von der Wahl der für die Jahreszeit passenden Bereifung ab. Achten Sie nach einem Wechsel beispielsweise auch darauf, dass der empfohlene Reifendruck eingehalten ist. Zudem sollten die Reifen regelmäßig ausgewuchtet werden. Das sorgt für einen ruhigeren Lauf und weniger Vibrationen und führt letztlich zu einem geringeren Verschleiß. Die Lebensdauer der Reifen verlängert sich.
Und nicht zuletzt dürfen Reifen für einen guten Grip nicht abgefahren sein. Für Sommer-, Winter- und Ganzjahresreifen gilt gleichermaßen eine gesetzlich vorgeschriebene Mindest-Profiltiefe von 1,6 Millimeter. Auch wenn eine Profiltiefe von beispielsweise 3 Millimeter noch den gesetzlichen Anforderungen genügt, sollten Winterreifen zur eigenen Sicherheit nur bis 4 Millimeter gefahren werden und nicht älter als sechs Jahre sein, empfehlen Reifenhersteller. Eine Profiltiefe von mindestens 4 Millimeter ist schon deshalb empfehlenswert, weil sie beispielsweise in Österreich für Winterreifen vorgeschrieben ist. Wer auch nur gelegentlich im Winter das Nachbarland besucht, sollte Reifen mit größerer Profiltiefe haben.
Was kostet ein Reifenwechsel?
Die Preise für einen Reifenwechsel schwanken sehr – abhängig von der Region und der Felgengröße. Das bloße Wechseln der Räder kostet zwischen 30 und 50 Euro. Kommen Zusatzleistungen wie Auswuchten, Einlagerung, Radnabenreinigung oder Reifendruckkontrolle hinzu, wird es teurer. Große Service-Ketten bieten einen Rundum-Service für rund 100 Euro.