Was ist eine private Berufsunfähigkeitsversicherung?
Wird man berufsunfähig, fallen in der Regel Einnahmen aus Lohn und Gehalt weg. Meist kommen weitere finanzielle Belastungen hinzu, beispielsweise für medizinische Versorgung oder Betreuung. Besonders schwerwiegend ist das für junge Leute mit nur geringem Finanzpolster, für Familien mit einem Alleinverdiener oder für Singles.
Bei vielen handwerklichen Berufen ist das Risiko, berufsunfähig zu werden, besonders hoch. Aber auch Menschen, die nicht körperlich arbeiten, laufen Gefahr, berufsunfähig zu werden, zum Beispiel durch psychische Erkrankungen - mittlerweile die häufigste Ursache von Berufsunfähigkeit.
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (Kurzform: BU-Versicherung) kann die finanzielle Lücke schließen, wenn das Einkommen wegfällt. Das ist um so wichtiger, da die gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung de facto abgeschafft und durch eine Erwerbsminderung ersetzt wurde. Das staatliche Sicherungsniveau ist dadurch geringer geworden.
Das bedeutet: Praktisch jeder, der von seinem Einkommen abhängig ist, kommt um eine private BU-Absicherung nicht herum, um im Fall einer Berufsunfähigkeit seinen gewohnten Lebensstandard halten zu können. Die Berufsunfähigkeitsversicherung gilt als eine der wichtigsten Versicherungen überhaupt.
Warum die Erwerbsminderungsrente nicht reicht
Berufstätige sollten sich heutzutage nicht mehr voll auf gesetzliche Leistungen verlassen, sollten sie nicht mehr arbeiten können. Im Unterschied zu älteren Jahrgängen müssen jüngere verstärkt privat vorsorgen. Der Grund: Sind Erwerbstätige vor dem 2. Januar 1961 geboren, haben sie im Falle einer Berufsunfähigkeit noch Anspruch auf eine vergleichsweise umfassende gesetzliche Leistung, sprich: einer Erwerbsminderungsrente. Für später Geborene sind die Voraussetzungen der gesetzlichen Rentenversicherung weitaus schwieriger. Nur wer weniger als sechs Stunden am Tag einer Beschäftigung nachgehen kann, erhält eine gesetzliche Absicherung. Die volle Erwerbsminderungsrente bekommt nur, wer weniger als drei Stunden am Tag arbeiten kann. Und die beträgt in der Regel weniger als ein Drittel des letzten Bruttoeinkommens.
Was leistet die private Berufsunfähigkeitsversicherung?
Die private Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt einem berufstätigen Versicherten in der Regel eine Rente (auch BU-Rente genannt), wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig ist. Auch wer pflegebedürftig ist und mindestens unter Pflegestufe 1 fällt, gilt häufig als berufsunfähig und erhält eine Rente – je nach vertraglicher Vereinbarung mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Gut zu wissen: Die BU-Rente wird nicht auf die Erwerbsminderungsrente von der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet, sondern kommt obendrauf.
Achtung: Die Versicherer möchten ihren Kunden sowohl eine preiswerte Basisabsicherung als auch einen umfassenden Versicherungsschutz anbieten. Deshalb verwenden sie in ihren Verträgen oft unterschiedliche Definitionen dafür, was eine Berufsunfähigkeit ausmacht.
Definition: Wann ist man berufsunfähig?
Der Gesetzgeber hat den Begriff der Berufsunfähigkeit im Versicherungsvertragsgesetz (§ 172 VVG) folgendermaßen definiert:
„Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.
Als weitere Voraussetzung (…) kann vereinbart werden, dass die versicherte Person auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu übernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht."
Unter den Anbietern von Berufsunfähigkeitsversicherungen gibt es allerdings keine einheitliche Definition des Begriffs.
Zwei Möglichkeiten für den Berufsunfähigkeitsschutz
Verbraucher haben zwei Möglichkeiten, um sich gegen das finanzielle Risiko im Fall einer Berufsunfähigkeit privat abzusichern. Welche Form am besten geeignet ist, hängt von den individuellen Lebensumständen und Vorstellungen ab.
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1. Die selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung
Bei dieser Vertragsform handelt es sich um einen eigenständigen Risikovertrag. Ähnlich wie bei einer Risikolebensversicherung kalkuliert hier der Versicherer aufgrund der biometrischen Daten das individuelle Berufsunfähigkeitsrisiko. Daraus errechnen sich der erforderliche Beitrag für die gewünschte Laufzeit der Berufsunfähigkeitsversicherung (zum Beispiel bis zum 65. Lebensjahr) und die versicherte monatliche Berufsunfähigkeitsrente.
Eintritt der Berufsunfähigkeit während der Laufzeit: Die Versicherung zahlt die vereinbarte monatliche Berufsunfähigkeitsrente, solange die Berufsunfähigkeit andauert; längstens jedoch bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit der BU-Versicherung.
Kein Eintritt der Berufsunfähigkeit während der Laufzeit: Eine Schlusszahlung (wie zum Beispiel bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung) wird vom Versicherer nur im Ausnahmefall und gegebenenfalls in relativ geringem Umfang erbracht, da der Versicherte während der Vertragslaufzeit nur einen reinen Risikobeitrag ohne Sparanteil bezahlt.
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2. Die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ)
Diese Zusatzversicherung kann nur in Kombination mit einer Renten- oder Lebensversicherung abgeschlossen werden. Die Berufsunfähigkeitsrente dient in diesem Fall vor allem dazu, dass der Versicherte, sollte er berufsunfähig werden, die Beiträge zu seiner Altersvorsorge etwa in Form von Lebens- und/oder Rentenversicherungen weiterhin bezahlen kann. So bleibt zumindest die private Altersvorsorge bestehen und kann bis zur Rente fortgeführt werden. Darüber hinaus kann der Kunde noch eine Berufsunfähigkeitsrente vereinbaren.
Die Verweisungsklauseln in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Gibt es nachweislich einen gleichwertigen Beruf, in dem der berufsunfähig gewordene Versicherungsnehmer noch arbeiten könnte, muss der Versicherer die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente nicht zahlen, sondern kann auf diesen Beruf verweisen. Der muss in etwa dem alten Berufsbild entsprechen und Kenntnisse/Fähigkeiten des Versicherungsnehmers berücksichtigen. Eine „Verweisung“ kommt nicht in Frage, wenn der Verdienst deutlich geringer wäre als im früheren Beruf. Es gibt zwei unterschiedliche Verweisungsklauseln. Viele Versicherer bieten inzwischen auch Produkte ohne abstrakte Verweisung an.
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Was bedeutet abstrakte Verweisbarkeit?
Der Versicherungsnehmer kann auf eine Tätigkeit verwiesen werden, die zwar seinen Kenntnissen/Fähigkeiten entspricht und seinen Lebensstandard wahrt, die er jedoch zum Zeitpunkt des Antrags auf die Berufsunfähigkeitsrente nicht ausübt. Die Verweisung erfolgt also rein abstrakt auf ein zwar existierendes Berufsbild, aber nicht auf eine konkret ausgeübte Tätigkeit.
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Was bedeutet konkrete Verweisbarkeit?
Der Versicherungsnehmer übt bereits freiwillig einen anderen Beruf aus, der seinen Kenntnissen/Fähigkeiten entspricht und seinen Lebensstandard wahrt. In diesem Fall kann die Berufsunfähigkeitsversicherung konkret auf diese eine neue Tätigkeit verweisen und muss keine Rente auszahlen.
Was bedeutet "Dynamik" in der Berufsunfähigkeitsversicherung?
Wer sich eine ausreichende Berufsunfähigkeitsrente sichern will, sollte darauf achten, dass die BU-Rente regelmäßig steigt. Dies erfolgt durch eine Anpassung der monatlichen Beiträge. So ist sichergestellt, dass die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente nicht sukzessive von der Inflation entwertet wird. Diese Form der dynamischen Absicherung wird von allen Versicherungen angeboten.
Über die Dynamik erhöht der Versicherer jedes Jahr die zugesagte Berufsunfähigkeitsrente und den Beitrag in der vereinbarten Höhe. Man kann – je nach eigener, finanzieller Situation – widersprechen oder die Erhöhung annehmen. Meist muss die erste Erhöhung und danach jede dritte angenommen werden. Sonst verfällt die Dynamik im Vertrag.
Die Risikoprüfung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Ein entscheidender Punkt bei der Gestaltung der Berufsunfähigkeitsversicherung ist die Frage: Wie groß ist das Risiko des Antragstellers, berufsunfähig zu werden? Ob und zu welchen Bedingungen man Versicherungsschutz erhält, ist deshalb abhängig von:
- Gesundheitszustand, aktuellen Krankheiten bzw. Vorerkrankungen
- Alter
- ausgeübtem Beruf (häufig haben die Versicherungsunternehmen „Berufskataloge“, die das Risiko der Tätigkeiten berücksichtigen.)
- risikoreichen Hobbys
Um diese individuellen Lebensumstände richtig zu bewerten, erfolgt vor dem Abschluss einer BU-Versicherung einmalig die sogenannte Risikoprüfung. Dabei wird man vom Versicherer aufgefordert, schriftlich verschiedene Fragen zum Gesundheitszustand und zur Krankheitsvorgeschichte zu beantworten. Diese Gesundheitsfragen beziehen sich in der Regel auf fünf bis zehn Jahre vor Antragstellung. Liegen risikorelevante Einschränkungen vor, zum Beispiel Allergien, müssen darüber auf einem zusätzlichen Fragebogen weitere Angaben gemacht werden, bevor ein Versicherungsschutz angeboten werden kann.
Anhand dieser Angaben wird das Risikoprofil des Kunden ermittelt. Basierend darauf legt der Versicherer einen Beitrag für die Berufsunfähigkeitsversicherung fest, der dann für die gesamte Vertragslaufzeit garantiert ist.
Wie wird die Berufsunfähigkeit festgestellt?
Wer aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit nicht mehr arbeiten kann und ohne Einkommen dasteht, hat mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung gut vorgesorgt. Doch die Versicherung zahlt nicht automatisch: Zunächst muss ein Facharzt feststellen, ob beim Versicherten tatsächlich eine Erkrankung bzw. Beeinträchtigung vorliegt. Diese Diagnose kann der Versicherer durch Melde- oder Fragebögen an den Versicherten selbst oder an dessen Hausarzt überprüfen. Gegebenenfalls kann auch ein anderer Arzt mit der Prüfung beauftragt werden. Erfüllen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Bedingungen für eine Berufsunfähigkeit leistet der Versicherer.
Kommt dieser zu dem Ergebnis, dass im Sinne der Bedingungen keine Berufsunfähigkeit vorliegt, kann der Versicherte einen Gutachter einschalten: Das Versicherungsunternehmen schlägt beispielsweise drei Ärzte vor, die in der Nähe des Betroffenen praktizieren. Der Versicherte wählt einen aus und der erstellt dann ein Gutachten.
Welche Alternativen gibt es, seine Arbeitskraft zu schützen?
Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente reicht nicht aus und die Berufsunfähigkeitsversicherung ist nicht die ideale Option: Für diesen Fall gibt es Alternativen. Je nach Beruf und individuellem Bedürfnis kommen auch andere private Versicherungen in Frage, wie Arbeitnehmer das Risiko der Arbeitsunfähigkeit und des damit verbundenen Einkommensverlustes abdecken können. Dazu zählen unter anderem folgende Versicherungen:
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Die Grundfähigkeitsversicherung
Bei der Grundfähigkeitsversicherung werden bestimmte grundlegende Fähigkeiten versichert. Dazu zählen zum Beispiel das Sehen, Sprechen, Gehen, Autofahren oder Treppensteigen. Wer Fähigkeiten verliert, die im Vertrag bestimmt wurden, bekommt von der Versicherung eine vertraglich vereinbarte monatliche Rente ausgezahlt.
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Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung
Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung kann etwa für Personen in körperlich anstrengenden Berufen sinnvoll sein. Sie deckt den Verlust der Arbeitskraft durch Unfälle und alle körperlichen und psychischen Erkrankungen ab. Der Versicherungsnehmer erhält eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn er überhaupt keiner Arbeit mehr nachgehen kann.
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Die private Unfallversicherung
Auch die Leistungen einer privaten Unfallversicherung helfen Arbeitnehmern weiter, sollten sie aufgrund eines Unfalls nicht mehr arbeiten können. Vergleichbar einer BU-Rente zahlen auch Unfallversicherungen bei besonders schweren dauerhaften Beeinträchtigungen monatliche Renten aus, manchmal sogar ein Leben lang.
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Die Dread-Disease-Versicherung
Die Anbieter von Dread-Disease-Versicherungen leisten, wenn eine schwere Krankheit wie etwa Krebs oder Multiple Sklerose die Ursache einer Berufsunfähigkeit ist.
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Multi-Risk-Versicherungen
Multi-Risk-Versicherungen sorgen für einen Rundumschutz gegen Erkrankungen und Unfälle, indem sie verschiedene Bausteine aus den anderen Versicherungen kombinieren.